Peng im Mund
Die süße Revolution im Gil Avnon
„Sie treffen sich täglich um viertel nach drei am Stammtisch im Eck‘ in der Konditorei und blasen zum Sturm auf das Kuchenbüfett, auf Schwarzwälder Kirsch und auf Sahnebaiser…“ – als 1976 der Berliner Kabarettist Eckart Hachfeld diese Zeilen reimte und Udo Jürgens zwei Jahre später daraus einen Hit machte, war die Krise der wirtschaftswunderlichen Fettlebe schon im vollen Gange. Buttercreme- und Marzipantorten kamen auf den Index und der Beruf des Konditors oder Patissiers geriet gar in den Ruf, gesundheitsgefährdend zu sein.
Das ist, Gott sei Dank, nur noch kulinarische Geschichte. Bei Berlins aktuellen Spitzenpatissiers – etwa René Frank, Anna Plagens oder Thomas Yoshida – taucht Omas Buttercremetorte höchstens noch als dekonstruiertes Zitat auf, Zucker wird wie ein Gewürz behandelt und Fertigprodukte sind ohnehin tabu.
Keine Frage, auch Gil Avnon ist in dieser Liga angesiedelt. Der 50-jährige Berliner mit jüdischen Wurzeln (deshalb Gil auch mit G, also hebräisch ausgesprochen), lernte sein Handwerk in der Traditionskonditorei Genenz, anschließend folgten Stationen in internationalen Top-Hotels: Dolder Grand Zürich, Dorchester London, Raffles Plaza Singapur, Kempinski Heiligendamm. Im Jahr 2000 erwarb er den Meistertitel, Anfang Oktober 2019 eröffnete er seine Patisserie in der Schlüterstraße.
Das Interview führte Mariana Spranger.