RESTAURANT O’ROOM IM MARC O’POLO STRANDCASINO AUF USEDOM

Wo gehst du privat essen? Und wie sind diese Restaurant-Besuche für dich?

Ich habe einen Tick – als erstes kontrolliere ich bei einem Besuch in einem neuen Restaurant immer, ob die Toiletten in Ordnung, modern, sauber, besonders gestaltet sind.
Beim Essen bin ich bei anderen immer sehr kritisch. Meistens suche ich mir ein Restaurant nach Speisekarte aus, manchmal auch danach, worauf ich gerade Lust habe. Ich mag die gutbürgerliche Küche und du wirst es kaum glauben – Pizza. In letzter Zeit war ich viel in polnischen Betrieben.

Für mich ist die Gastronomie in Deutschland ein bisschen gescheitert. Hier oben an der Küste gibt es gefühlt für mich überall das Gleiche. Schnitzel, Fisch – ohne große Variation. Ich erkenne die Kreativität nicht richtig und dann wirkt es etwas lustlos auf mich. Außerdem meine ich, dass die Preise für Gerichte teilweise viel zu niedrig angesetzt sind. Ich finde, man kann bessere Qualität für einen höheren Preis liefern. Beim Essen möchte ich nicht getäuscht werden. Steht in der Karte frischer Fisch, will ich auch frischen Fisch und keine Tiefkühl-Ware. Dann zahle ich auch gerne mehr. Aber ich durfte auch schon in den einfachsten Restaurants sehr guten Geschmack erleben. Ich merke es einfach, wenn am Herd eine Omi steht, die genau weiß, wie man ein richtig gutes Kalbsragout oder leckeren Rotkohl macht.

Das Meiste lernte ich von meinem alten Küchenchef. Er brachte mir traditionelle Rezepte bei – wie man Rinderroulade, Gänsebraten oder Rotkohl zubereitet. Diese Gerichte schmeckten bei ihm einfach umwerfend. Er kochte nachhaltig, warf nichts weg und hatte für alles noch eine Idee. Das Interesse und die Motivation an der Arbeit haben uns zusammengeschweißt und wir wurden lustigerweise sogar beste Freunde. Wir teilten die gleiche Faszination für gute Küche und legendären Geschmack. Das hat uns Spaß gemacht. Für mich war das die bedeutsamste Station in meinem Arbeitsleben, obwohl ich dort nur ein ¾ Jahr war. Ich habe dort gemerkt, was es heißt, Koch zu sein, gutes Essen zu machen und wie man Sachen bis zum Ende durchzieht. Leider gibt es das Fischrestaurant in Graal-Müritz heute nicht mehr – es wurde abgerissen.

Wieviel von dieser Erfahrung steckt in deinen Kreationen von heute?

Alles.
Es kommt immer nur auf den Geschmack an, der Rest ist sekundär. Mein damaliger Küchenchef hat immer gesagt: „Es ist schlimmer, ein Essen nicht zu würzen, als ein Essen zu versalzen.“ Niemand will langweilige Speisen.
Die gute Hausmannskost, so wie sie unsere Mütter und Großmütter kochten, ist das Beste, was du machen kannst und diese alten Rezepte sind für jedermann. Es ist auch fast egal, wie sie auf dem Teller aussehen.
Für mich ist es fast gleichgültig, ob ich in einem einfachen Lokal oder in einem Sternerestaurant koche – solange das Haus immer voll ist und die Gäste glücklich. Das habe ich auch heute Abend wieder gemerkt.

Ist für dich mit dem Stern im Guide Michelin ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen? Und was kommt als nächstes?

Es war mein erklärtes Ziel, das zu erreichen. Das nächste Ziel heißt: „immer besser werden“. Ich möchte auch alle Tester einmal durchlaufen lassen und eine Meinung erhalten, um diesen Teilerfolg abzugleichen. Präzise, fachkundige Kritik ist zur Weiterentwicklung am hilfreichsten. Der Gusto Gourmetführer schrieb, dass wir den Fokus mehr auf den Hauptbestandteil legen sollten. Würden wir das berücksichtigen, stünde uns nichts mehr im Weg – eine hilfreiche Kritik.

Wenn aber die Gäste mein Menü lieben und der Kritiker nicht, dann wäre mir die Kritik weniger wichtig. Ich möchte meine Gäste glücklich machen.

Stichwort Publikum – deine Gäste – wen möchtest du noch begeistern?

Mehr Einheimische und Gäste, die sonst vielleicht nicht unbedingt auf den ersten Blick bei uns ein Gourmetmenü essen – zum Beispiel Camper.
Ein Beispiel: Auster mit Passionsfruchtbutter und Vanille – die meisten sagen von vornherein „Iih, schlabbrige Auster mag ich nicht“. Doch alle haben sie probiert und waren davon im Nachhinein überzeugt. Ich hoffe, dass ich durch die Bestandteile der neuen O`ROOM-Karte neue Gäste überzeuge, weil dort bekannte Dinge vorkommen. „Stulle mit Ei“ kennen viele aus ihrer Kindheit. Ich liefere konstant gute Qualität, mache das, worauf ich Lust habe und hoffe, dass sich das herumspricht.
Heute Abend war ein 70-jähriger Herr im The O`ROOM, der mir sagte, dass er alles fotografiert hat und im Internet bewerten wird. Da habe ich nicht schlecht geguckt.
Onlinebewertungen sind sehr wichtig geworden.

Was würdest du machen, wenn du dir deinen Lebenstraum erfüllst?

Nicht mehr kochen und nicht mehr arbeiten. Ich bin in einem Familienbetrieb groß geworden und sehe, wie schwer es ist, neues gutes Personal zu finden und wie sehr das Auffangen dieses Engpasses auf die eigene Gesundheit geht. Das ist schon auch emotional für mich, weil ich selbst keine Lösung dafür sehe. Wir sind hier so erfolgreich, weil wir jeden Tag von morgens bis abends nur an eins denken: Sehr gutes Essen kochen.
Und wenn viele wüssten, was ich hier bis jetzt geopfert habe – das würden viele nicht nachvollziehen können. Es ist nicht mehr logisch.

Warum hast du bis jetzt nicht aufgegeben?

Gibt’s nicht. Bin ich nicht der Typ für – so funktioniere ich nicht. Einmal in meinem Leben habe ich etwas aus Bequemlichkeit aufgegeben, was mir sehr am Herzen lag und seitdem erlaube ich mir das nicht mehr.

Automechaniker als Exit-Strategie?

Oh ja, davon träume ich. Aber warum soll ich etwas aufgeben, was ich gut kann? Und irgendwie leide ich auch gerne. Deshalb auch meine Tattoos (Augenzwinker). Mit 13 stand ich das erste Mal an der Spüle bei meinem Vater im Betrieb und durfte erst an den Strand, wenn alles sauber war. Das hat mich und meine Leistungsbereitschaft sehr geprägt. Ich bin jetzt auch noch zu neugierig zu erfahren, was sich noch so entwickelt. Wobei der Gedanke, von heute auf morgen das Mikro einfach fallen zu lassen, nachdem ich alle Kritiker überzeugen konnte, schon auch charmant wäre.

Menüentstehung…

Ich scheue kein Risiko – ich habe nichts darauf gegeben, mich mit anderen zu vergleichen oder dem was vorher war abzugleichen und habe mein Ding gemacht. Ich habe peu à peu neue Gerichte in das Gourmetmenü eingeführt und mir das Feedback dazu angehört. Daraus habe ich den Mut geschöpft, ein komplett neues „Heimatmenü“ zu entwerfen.

Wie schaffst du es inmitten all der kritischen Stimmen, zahlreicher Anforderungen von allen Seiten und dem Trubel in der Küche an sich – in dich hineinzuhören und dem zu folgen?

Zur Arbeit gehe ich gerne einfach zu Fuß und höre dabei richtig harte Musik. Überhaupt gibt mir diese Art von Musik einen guten Fokus.
In der Schule hieß es immer: „Wenn er nicht rumkaspern würde, wäre noch viel mehr möglich.“, aber genau dieses „Rumkaspern“ lässt mich so viel Neues ausprobieren. Aus abgekochtem Tintenfisch ein Gel herstellen, weil ich mir vorstelle, wie spannend das wäre.

Ich experimentiere in meiner Küche viel herum, bis etwas Gutes dabei ist. Diese Freiheit zu haben, ist Anerkennung und ein großes Geschenk meiner Geschäftsführung. Niemand schreibt mir vor, was ich tun und lassen soll. Das ist ein sehr großer Vertrauensbeweis und definitiv ein wichtiger Teil des Erfolgs (für Sternegastronomie). Mir ist wichtig, ob sie von dem, was wir machen, begeistert sind. Gert ist der liebste Chef, den ich mir in dieser Situation vorstellen kann.
Meine Vorbilder sind mein Vater und Massimo Bottura (italienischer Sternekoch) – bei dem wirst du immer überrascht und vielleicht auch bewusst irritiert. Frei nach dem Prinzip – ich gebe dem Gast etwas, das er glaubt zu bekommen, aber auf dem Teller sieht es ganz anders aus. Bottura überzeugt mit Geschmack, der nie langweilig sein darf. Das versuchen wir auch.

Was hast du von Tom Wickboldt (ehemaliger Chef de Cuisine des O´ROOM) gelernt?

Ich schätze Tom sehr und mochte, dass bei ihm alles sehr leicht aussah. Wenn er eine Karte schrieb, wirkte das wie aus dem Ärmel geschüttelt. Gutes Essen begeistert ihn und ich glaube, mehr braucht es eigentlich auch nicht, um zu schätzen, wer in der Küche arbeitet. Tom hat mir von Anfang an bedingungslos alles gezeigt und nicht mit seinem Wissen gegeizt. Das war sehr gut.

Das Interview führte Mariana Spranger.

Ein Beitrag von: www.garcon24.de